#rapeculture. Oder: Wieso ich mich heute Feministin nenne.

Let’s talk about rape culture!

Ich bin eine Frau. Und ich äußere mich politisch.

Allein das scheint für einige Männer (Ja, es waren bisher immer nur Männer) Grund genug sein, ausfällig zu werden. Und zwar ausfällig auf einer bestimmten Ebene.

Einige Beispiele:

  • Es geht um Meinungsfreiheit und eine heißdiskutierte Distanzierung von einem Verschwörungstheoretiker.
    Ein Parteigenosse, welcher anderer Meinung ist als ich, postet auf Twitter das Bild einer gefesselten Frau mit einem saftigen Kommentar in meine Richtung. Unterwerfungsfantasien.
  • Letzten Sommer. Ich so „Refugees Welcome!“ Dazu von einem männlichen Zeitgenossen: „Tja, du kriegst halt keinen Deutschen ab, deshalb musst du ‚die‘ Willkommen heißen!“
  • Letzten Dienstag: Tobi weiß bescheid:

köln

Diese Kommentare und Sprüche greifen mich auf einer Ebene an, die ich nicht ändern kann: Auf der meines Geschlechtes.

Dies verhindert von vorn herein eine Auseinandersetzung auf Augenhöhe, bei der man Argumente austauscht und seine Meinung gegebenenfalls ändert. Denn es ist ja nicht so, dass ich mich für fehlerfrei halte und niemals bereit bin meine Meinung zu überdenken, wenn mir jemand gute Argumente liefert. Hier muss ich dann immer annehmen, dass entsprechende Herren schlicht keine Argumente für ihre Meinung haben.

Stattdessen wird mit meinem Geschlecht meine ganze Person in Frage gestellt.

Das ist eine hervorragende Art sich nicht damit auseinandersetzen zu müssen, dass ich vielleicht recht haben könnte und es zeigt auch die ganze Verachtung, die solche Menschen Frauen gegenüber an den Tag legen, oft gepaart mit einem unerträglichen Rassismus.

„Sie hat noch keine negativen Erfahrungen mit Belästigungen durch $ethnischeGruppe gemacht? Das liegt natürlich nicht daran, dass $Gruppe nicht böse ist, sondern dass sie so wenig attraktiv ist, dass sie eh niemand ficken will!“

Solche Sätze sagen genau eines: „Du als Frau kannst es als Qualitätsmerkmal ansehen, wenn du belästigt oder vergewaltigt wirst, denn dann bist du attraktiv genug um als Frau (und Mensch) angesehen zu werden!“

Das ist abstoßend, ekelerregend, widerlich! Rape Culture in Reinform.

Ebenso widerlich sind eben sind diese Kommentare, die Unterwerfungsfantasien beinhalten. Sie beinhalten immer den Subtext „Wenn ich jetzt in deiner Nähe wäre, würde ich … mit dir tun!“

Sie zeigen die Geringschätzung, sie degradieren mich zum Objekt irgendwelcher Fantasien, und sie nehmen mir die Augenhöhe.

Aber solche Angriffe und Abschätzigkeiten haben auch eines bewirkt: Früher hätte ich mich nicht als Feministin bezeichnet. Heute tue ich das schon.

Einfach, weil es nötig ist Feministin zu sein. Weil ich zu oft einer sexistischen bzw. sexuellen Ebene angegangen wurde, wenn es um Politik, Meinungen und Kritik ging. Ich will nicht mehr gefragt werden, ob ich untervögelt bin, wenn ich eine andere Meinung habe und mein Gegenüber keine Argumente hat. Ich will keine Unterwerfungsfantasien über mich mehr lesen, weil ich einem Mann zu stark wirke.

Rape Culture ist Realität. Und sie hat mich zur Feministin wider Willen gemacht.

Disclaimer: Wenn Du dich als Mann von diesem Text angegriffen fühlst, bist du wahrscheinlich gemeint. Männer, die Frauen auf Augenhöhe ertragen und respektvoll behandeln, dürften durchblicken, dass sie nicht gemeint sind.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Feminismus, Toleranz, Weltbilder veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu #rapeculture. Oder: Wieso ich mich heute Feministin nenne.

  1. BOB schreibt:

    Ich halte es aus meiner Position heraus (männlicher Westeuropäer, Mitte 30) immer für selbstverständlich, dass man weder im Netz noch im realen Leben sexuell belästigt oder anderweitig auf Grund des Geschlechts angegangen wird, da mir sowas schlichtweg noch nie ernsthaft passiert ist; deshalb lese ich Kommentare wie die von @Klartext89 jedes Mal mit großen und ungläubigen Augen und fasse es nicht.
    Es tut mir gut mir solche Dinge gelegentlich vor Augen zu führen, damit ich sie nicht vergesse.

  2. Guy_incognito schreibt:

    Meine Meinung (weiß, männlich, 29): Man zieht sich den Schuh an, der einem passt. Meine Geschlechtsgenossen, die Ihnen solche Dinge, wie dort oben schreiben, haben vermutlich selbst ein ziemlich großes Problem mit ihrer Sexwualität. Oder dem, was sie darunter verstehen (Sozialisation durch Pornos?). Daher sehe ich solche Ausfälligkeiten eher als Indikator für den eigenen Frust. Nichtsdestotrotz ist es beschämend, dass dieser dann am anderen Geschlecht ausgelassen wird. Es kommen m. E. noch andere Dinge hinzu: Gruppenzwang (durch PI, etc.), Geltungsbedürfnis und vor Allem: Zu viel Zeit! Ich wünsche Ihnen, so wie allen Frauen der Welt, die schon einmal Zuschriften wie die oben erwähnte erhalten haben, dass Sie diese Menschen nicht zu ernst nehmen. Ich kann mich zwar nicht im Namen derer entschuldigen, aber kann Ihnen versichern, dass „echte Männer“ Ihren Text verstehen werden, wie er gemeint ist.

  3. namuench schreibt:

    Hallo Maja,
    sexistische Kackscheiße ist sexistische Kackscheiße, das ist klar. Und auch, dass so was weh tun kann.
    An deiner Wahrnehmung habe ich trotzdem meine Zweifel, deine Konsequenz (Feministin, Rape Culture) halte ich für falsch. Die mangelnde Diskussionskultur auf Twitter ist hinlänglich bekannt. Wer sich dort äußert, spricht in eine große Menschenmenge hinein – und in jeder großen Menschenmenge gibt es eine Menge Idioten. Ein kurzer Blick auf das Profil von @klartext89 entlarvt ihn als Sympathisant oder Mitglied der Jungen Alternative bzw. PEGIDA: https://twitter.com/Klartext89/status/684694059257040896, https://twitter.com/Klartext89/status/684277192440856576. Was erwartest du von solchen Typen? Was Nazis angeht, die auf die eigenen Tweets aufmerksam werden, hilft meines Erachtens leider nur dickes Fell. Wenn ähnliche Anmachen aus den Reihen der eigenen Partei kommen, ist das schon erheblich bitterer: Aber wie viele von deinen Lesern repräsentieren diese Ausfälle wirklich? Twitter sorgt dafür, dass uns nicht die Durchschnittsreaktion in Erinnerung bleibt, sondern die heftigste – und bei ausreichend vielen Lesern ist das aggressivste Arschloch eben oft ein SEHR aggressives Arschloch.

    Was ich wirklich verheerend finde, ist die Schluss von sexistischen Sprüchen auf „Rape Culture“. Du vermischst dabei Worte und Taten: Was dir auf Twitter (und vielleicht auch anderswo) an Sexismus um die Ohren gehauen wird, ist widerlich. Aber es sind Worte. Kugeln töten, Worte nicht. Eine Vergewaltigung ist etwas anderes als ein widerlicher Spruch aus der Anonymität des Internets heraus. Twitter, deinen Computer kannst du im Zweifel per Knopfdruck ausschalten, einen Vergewaltiger nicht. Das Eine mit dem Anderen gleichzusetzen ist meines Erachtens einer Verharmlosung von Vergewaltigung. (Am Rande: Das Gleichsetzen von Worten und Taten ist übrigens einer der wesentlichen liberalen Kritiken an der zeitgenössischen Linken, etwa in der Meinungsfreiheitsdebatte.)

    „Rape Culture“ behauptet, dies sei eine Gesellschaft, in der Vergewaltigung verbreitet und vor allem latent gefördert wird. Ich halte das beim Blick auf Zahlen (https://yesmeansyesblog.wordpress.com/2009/11/12/meet-the-predators/), Gesetze und Vergleiche mit anderen Gesellschaften für bizarr, aber das lässt sich hier im Detail nicht ausdiskutieren. Zwei Lesenswerte Links: http://www.spiked-online.com/newsite/article/rape-culture-theres-no-such-thing/16206#.Vo-V5VLcCbI, http://time.com/30545/its-time-to-end-rape-culture-hysteria/
    Genau umgekehrt zu dir habe ich mich den Großteil meines Lebens als Feminist gesehen – inzwischen tue ich das nicht mehr, und das Gerede von „Rape Culture“ ist einer der Gründe: Vergewaltigung (und sexuelle Gewalt im Allgemeinen) ist ein gesellschaftliches Problem, die Vorstellung aber, solches Verhalten würde in irgendeiner Form kulturell gerechtfertigt, ist absurd und männerfeindlich. – Da hilft dann auch dein Disclaimer nicht: Ich denke von mir, Frauen sehr gut „auf Augenhöhe ertragen“ zu können und sollte mich daher nicht angegriffen fühlen. „Rape Culture“ ist aber ein Konzept, dass Männer, die dem Konzept nicht zustimmen und daher keine „Allys“ sind, pauschal als „Vergewaltigungsapologeten“ diskreditiert. Eben als Teil der „Kultur“ die Vergewaltigung toleriert. Von daher fühle ich mich durch deinen Text sehr wohl angegriffen.

    • Aber das Bild mit der gefesselten Frau ist doch schonmal eine deutliche Drohung und nicht nur „irgendeine“ Beleidigung. Was mich mal interessieren würde: Bekommen Männer so etwas eigentlich auch, wenn sie ihre Meinung äußern? Habe ich persönlich noch nie gehört, aber vielleicht gibt es das ja doch.

    • „Twitter, deinen Computer kannst du im Zweifel per Knopfdruck ausschalten“

      Du kannst vielleicht den Rechner ausschalten, aber nicht das, was die Beldeidigung oder die Drohung mit dir macht. Den Rechner ausschalten, löst dieses Problem nicht.

  4. Ich finde gerade diese Unterwerfungsfantasien auch ganz übel. Ich habe eine sehr streitbare Mutter, die schon immer Männer an die Wand argumentiert hat. Sie wurde mehrmals in meiner Gegenwart mit total böse und drohend hervorgestoßenen Sätzen bedacht wie „Du gehörst mal wieder richtig durchgevögelt.“ oder „Böse Frauen müssen hart genommen werden“. Das war so widerlich, so deutlich Vergewaltigungsdrohung, weil einem nichts mehr sonst einfiel und sich eine Frau anscheinend in deren bescheuerten Weltbild nicht „so“ verhalten dürfe, dass ich bis heute ebenfalls richtig wütend werde, wenn ich daran denke. Und das war Face to face in den 80ern und 90ern, nichtmal im Internet.

Hinterlasse einen Kommentar